Belletristik, Jugendbuch

von Johanna Gerber
Cover von Mehrdad Zaeri
240 S. | 14.8 x 21 cm
Klappenbroschur, Fadenheftung
kwasi verlag 2015 || 22 fr. | 19 €
ab 14 Jahren und für Erwachsene
ISBN 978-3-906183-15-2

Autorin

Johanna Gerber ist 1946 geboren. Sie ist Schriftstellerin, Lyrikerin und Künslterin und lebt in der Nähe von Basel.

Rezensionen
Neurodiversität

Die Schwestern Löwenherz

Beschreibung

Die noch nicht 15-jährige Süne muss zurück in die Türkei und dort den 50-jährigen Freund ihres Vaters heiraten. Es bleibt ihr nur die Flucht zu ihrer besten Freundin Kahlo, aber natürlich suchen Sünes Familie und die Polizei Süne genau dort.
Kahlo verpasst Süne kurzerhand eine neue Identität und den neuen Namen Zoë Löwe. Aber wie lange können die beiden das Versteckspiel durchziehen angesichts der lückenlosen Beschattung durch Ürtaks Netzwerk? Der Polizei können sich die beiden Mädchen auch nicht anvertrauen, denn das Asylgesuch von Sünes Familie wurde abgelehnt – sie würde Süne ebenfalls in die Türkei abschieben.
Die Freundschaft zwischen islamischer Tradition und europäischer Selbstbestimmung wird überstrapaziert, der freundliche Bolle, Mitschüler der Mädchen, kann auch nicht viel ausrichten.
Ein Roman zur Asyldebatte, zu Integrationsbemühungen, zu Radikalität von und gegen Immigranten. Ein Roman, der betroffenen Mädchen Mut machen kann.

Leseprobe

Endlich spreche ich. Aber natürlich ist das kein Trost. Das hilft nicht. Ürtak fragt Dieter nicht um Erlaubnis. Sind sie erst in der Türkei, schützen unsere Gesetze Süne nicht mehr. Meine Süne.
Sie schluckt leer und bleibt stumm. Zittert wieder heftiger. Soviel Qual habe ich noch nie gesehen. Ihre Hände sind eiskalt. Kopftuch und Kleid durchnässt. Ich halte ihre Hände, reibe sie sanft aneinander, um sie zu wärmen.
„Was machst du nun?“
Keine Reaktion auf meine unbeholfene Frage. Sie starrt vor sich hin. Das Zittern hat nun doch aufgehört. Immerhin. Süne fixiert einen Punkt. Ohne Bewegung, wie ausgelöscht. Ich streiche wieder über das Kopftuch und wünsche mir, es wäre ihr Haar. Das dichte, schwarze Haar, in das ich so gerne meine Nase stecke.
Ein Windstoß fährt durch die Büsche, ein Tropfenschauer bedeckt uns.
„Bist du deswegen aus der Schule gegangen?“
Ich könnte mich ohrfeigen für meine dummen Fragen. Aber mehr lässt mein blockiertes Hirn nicht zu. Süne zieht ihr nasses Kopftuch vors Gesicht. Ein Schütteln erfasst ihren Körper. Erschüttert sitze ich neben ihr. Was für ein Albtraum!